Eltern in Trennung und Scheidung


Gesetzliche Grundlagen

"Die Eltern haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen." (§1627 BGB)

 

"Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt."

 

"Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert" (§1684 BGB).


Co-Parenting

Das gemeinsame Ausüben der Elternrolle nennt man Co-Parenting. Es ist für das Wohl eines Kindes wichtig, dass getrennte Eltern miteinander kooperieren, ein einheitliches Erziehungsverhalten haben und sich gegenseitig  in der Erziehung unterstützen; Konflikte in Erziehungsangelegenheiten sind schädlich, ebenso wenn Eltern gegeneinander vorgehen (Entleitner-Phleps, 2017; Langmeyer, 2015; Walper, Wendt, Langmeyer, 2017).


Mein Behandlungsangebot

Am besten wäre es, die Situation eines Kindes mit beiden Elternteilen in einer kooperativen Atmosphäre ruhig und besonnen besprechen zu können. Aus meiner Erfahrung ist dies aber leider nicht immer möglich. Es gibt Eltern, die sich feindselig zueinander verhalten. Wichtig ist: Ich biete Psychotherapie an für Kinder und Jugendliche mit einer psychischen Erkrankung sowie die begleitende Elternberatung. Jedoch biete ich nicht an, dass Konflikte um die Trennung oder Scheidung der Eltern in meiner Praxis ausgetragen werden.

 

Wenn ein sorgeberechtigter Elternteil sich wegen einer Diagnostik oder Therapie seines Kindes an mich wendet, ist es seine Aufgabe, den anderen sorgeberechtigten Elternteil darüber zu informieren und rechtzeitig dessen Einverständnis einzuholen.

 

Ich schreibe keine Stellungnahmen und erstelle keine Gutachten in Sorgerechtsfragen für Anwälte oder Familiengerichte.


Entwicklungen: Trennung und Scheidung

Bedeutende Entwicklungen der Familienformen in Deutschland sind:

  • Ungefähr jede dritte Ehe in Deutschland wird durch eine Scheidung beendet. 
  • Die Zahl an Eheschließungen sinkt. In Ostdeutschland werden mehr Kinder außerhalb einer Ehe geboren, als innerhalb einer Ehe (Langmeyer & Walper, 2013).
  • Nichteheliche Partnerschaften sind weniger stabil als Ehen: Es kommt häufiger zu Trennungen (Schnor, 2012).
  • Durch diese Entwicklungen gibt einen großen Anstieg an Alleinerziehenden. Diese Alleinerziehenden sind weit überwiegend alleinerziehende Mütter, nämlich zu 90% (Bundeszentrale für politische Bildung, 2016).

Forschung

Die Forschung in den USA und Europa zeigt überwiegend, dass Kinder mit geschiedenen bzw. getrennten Eltern ein höheres Risiko haben für Probleme in ihrer Entwicklung als Kinder verheirateter Eltern.

 

Neuere Forschungen versuchen, auf die Komplexität der Thematik differenziert einzugehen. Dazu gehört beispielsweise die Scheidungs-Stress-Bewältigungsperspektive oder die Selektionsperspektive (Amato, 2000: The consequences of divorce for adulds and children). Forschung zur Situation speziell in Deutschland wurde unternommen z.B. durch das Beziehungs- und Familienpanel pairfam, das Kinderpanel vom Deutschen Jugendinstitut und die Längsschnittsstudie "Familienentwicklung nach Trennung der Eltern" (einige Ergebnisse dazu finden sich in einer Broschüre der Deutschen Gesellschaft für Demographie).

 

Es zeigt sich, dass weniger die Trennung oder Scheidung der Eltern an sich negative Folgen für ein Kind hat, vielmehr sind es Faktoren wie eine Mangel an finanziellen Ressourcen und Elternkonflikte, die vermehrt bei betroffenen Familien vorhanden sind und das Wohl von Kindern gefährden.


Risikofaktoren für eine Gefährdung des Kindeswohls

Einige wichtige Risikofaktoren für Kinder sind:

 

Elternkonflikte, besonders wenn Kinder sie miterleben, sind ein starker Risikofaktor für eine Gefährdung von Kindern (Davies et al., 2002: Child emotional security and interparental conflict; Fincham, 1998: Child development and martial relations). Dies gilt insbesondere, bei anhaltenden Auseinandersetzungen und wenn die Eltern keine Lösung dafür finden (Cummings, Simpson, Wilson 1993: Children's responses to interadult anger as a fuction of information about resolution).

 

Loyalitätskonflikte: Kinder sind zudem stark gefährdet, wenn ein Elternteil versucht, mit dem Kind eine Allianz gegen den anderen Elternteil einzugehen (Walper, Kruse, Noack, Schwarz, 2004: Parental separation and adolescents' felt insecurity with mother; Walper, Schwarz, 2001: Adolescents' individuation in East and West Germany) (Buchanan, Waizenhofer, 1998: Patterns of triadic relationships after divorce among late adolescents; Franck, Buehler, 2007: A family process model of martial hostility, parental depressive affect, and early adolescent problem behavior; Shiller 1986: Loyalty conflicts and family relationships in latency age boys). In der Familientherapie wird eine solche dysfunktionale Triade auch "Triangulierung" genannt.

 

Hochstrittige Eltern: Etwa 8 bis 10% der getrennt lebenden Eltern in Deutschland gilt als hochstrittig (Paul, Dietrich, 2006: Expertise A. Genese, Formen und Folgen "Hochstrittiger Elternschaft"): Sie ziehen immer wieder vor Gericht, sie nehmen häufig Beratungsstellen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in Anspruch, sie habe eine starke Feindseligkeit gegeneinander und neigen zu eskalierenden Vorwürfen über Missbrauch, Misshandlung und Vernachlässigung.

 

Im Diagnosesystem DSM-5 wurde hierfür eine Kodierungsmöglichkeit geschaffen: Child affected by parental relationship distress. In Deutschland hingegen gibt es kein Bewusstsein dafür, dass hochstrittige Eltern eine Kindeswohlgefährdung darstellen (Witte, 2018: Kinderrechte bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung).

 

Miterleben von körperlicher Gewalt zwischen den Eltern (Fantuzzo et al., 1991: Effects of interparental violence on the psychological adjustment and competencies of young children; Holt, Buckley, Whelan, 2008: The impact of exposure to domestic violence on children and young people; Kelly, 2000: Children's adjustment in conflicted marriage and divorce).


Schutzfaktoren

Ein hilfreiches Erziehungsverhalten ist ein entscheidender Schutzfaktor für die Entwicklung von Kindern (Amato, Gilbreth, 1999; Sandler et al., 2016; Steinberg 2001). Unter einem hilfreichen Erziehungsverhalten versteht man eine autoritative Erziehung: Bei diesem Erziehungsstil werden Kinder liebevoll und konsequent erzogen. Das heißt, die Eltern reagieren einerseits auf die Bedürfnisse des Kindes, während sie andererseits angemessene, klare Regeln vorgeben und deren Umsetzung auf eindeutige Weise konsequent einfordern.


Literatur

Trennung mit Kindern - was nun? Ratgeber für betroffene Eltern (L. Staub)

 

Empirische Grundlagen der familiengerichtlichen Begutachtung (R. Volbert, A. Huber, A. Jacob, A. Kannegießer).