E-Mental-Health

Unter E-Mental-Health versteht man Gesundheitsangebote, welche digitale Technologien zur Verbesserung der psychischen Gesundheit einsetzen. "Die Nutzung solcher Technologien im Bereich der psychischen Gesundheit bietet ein erhebliches Potential zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen" berichtet Prof. Christine Knaevelsrud (Handreichung der DGVT).


Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA)

Das Digitale-Versorgungs-Gesetz ermöglicht es Patient*innen, digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) per Rezept zu bekommen. Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt die Kosten für DiGA.

 

Im persönlichen Gespräch klären wir, ob eine solche Anwendung als Ergänzung der Psychotherapie sinnvoll ist.


Wie kann ich eine DiGA auf Rezept bekommen?

  1. Psychotherapeut*innen können dir ein Rezept für eine Digitale Gesundheitsanwendung aushändigen.
  2. Reiche das Rezept bei deiner Krankenkasse ein: Per Upload in deiner Krankenkassen-App, per Post, im Service-Center deiner Krankenkasse oder telefonisch. Anschließend bekommst du von deiner Krankenkasse einen individuellen 16-stelligen Freischaltcode. Durch den Freischaltcode übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die App (App-Hersteller könnten jedoch optionale Funktionserweiterungen per In-App-Kauf anbieten).
  3. Gib den Freischaltcode auf der Website der DiGA ein.

DiGA-Verzeichnis

Die verschreibungsfähigen Anwendungen sind im DiGA-Verzeichnis aufgeführt. Manche sind dauerhaft im Verzeichnis aufgenommen, andere vorübergehend. Beispiele sind:

Eine Bewertung von DiGAs bietet trustedhealthapps.org, ein Angebot der "Weißen Liste". Die mobile health-App Datenbank nutzt die Mobile App Rating Scale (MARS) zur Bewertung von Nutzereinbindung (Engagement), technische Funktionalität, ästhetische Gestaltung und Informationsqualität. "5" ist der beste Wert, "1" bedeutet ungenügend.


Ein Beispiel für die therapeutischen Inhalte einer DiGA

Die meisten DiGAs, die Patient*innen Hilfe bieten bei psychische Störungen, basieren auf der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT). Die Grundlagen der KVT gelten somit auch für die DiGAs: Patient*innen erlernen mehr Wissen über die Ursachen und die Aufrechterhaltung der psychischen Störung. Anschließend haben sie die Möglichkeit, konkrete Methoden zu erlernen, um das eigene Verhalten zu verändern. Eine Verhaltensänderung muss man sich wie ein Training vorstellen. Schließlich geht es darum, die neuen Verhaltensweisen so zu verinnerlichen, dass man sie im Alltag anwendet.

 

Bei velibra beispielsweise durchlaufen Patient*innen sechs Stufen. Jede Stufe besteht aus einem Gesprächsteil und einem anschließenden Training:

1. Einführung in das Programm, Erhebung der Angststörung

2. Angstgedanken erkennen und damit umgehen

3. Entspannungstechniken

4. Exposition

5. Soziale Fähigkeiten und Ressourcen

6. Zusammenfassung und Rückfallprävention

 

Vorgeschlagen wird zum Beispiel, dass Patient*innen ihr Verhalten beobachten und anhand der Spalten-Technik protokollieren (Situation, Gedanken, Gefühle, Körperreaktion, Verhalten).

 

Empfehlenswert ist es, sich pro Stufe eine Woche Zeit zu nehmen. Nach sechs Wochen hat man alles einmal durchlaufen. Da es normal ist, Inhalte schnell wieder zu vergessen, kann man sich in den darauffolgenden sechs Wochen mit jedem Thema noch einmal beschäftigen.


Datenschutz, Wirksamkeit, Nebenwirkungen, Kontraindikation

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) prüft die digitalen Gesundheitsanwendungen unter anderem auf...

  • Datenschutz, Informationssicherheit, Nutzerfreundlichkeit
  • Nachweis positiver Versorgungseffekte anhand von wissenschaftlichen Studien. Unter positiven Versorgungseffekten wird verstanden: Der medizinische Nutzen, patientenrelevante Verbesserungen (z.B. die Koordination der Behandlungsabläufe) oder die Ausrichtung der Behandlung an anerkannten Standards (an wissenschaftlichen Leitlinien).

Alle Behandlung können unerwünschte Nebenwirkungen haben: Operationen, Medikamente, Psychotherapien, aber auch Apps. „Eine Gesundheits-App, die gar nicht oder zu wenig wirkt, kann z. B. den Eindruck verstärken, nicht gegen seine depressiven Stimmungen anzukommen", sagt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer. Nebenwirkungen von einer App könnten zudem beispielsweise sein, dass sich Nutzer*innen nicht ernst genommen fühlen, die Bearbeitung der Inhalte überfordernd ist oder oder technische Probleme zu Frustration führen.

 

In bestimmten Fällen kann die Nutzung von DiGAs / Apps kontraindiziert sein - sie dürfen dann nicht genutzt werden. Dazu können beispielsweise gehören: Bei psychotischen Erkrankungen (z.B. Schizophrenie), bei Suizidgedanken oder in Notfällen.

 

Weitere Informationen: Gesundheits-Apps im klinischen Alltag


<18jährige

Falls auch Apps für unter 18jährige angeboten werden, ist zu beachten:

  • Bei Kindern unter 14 Jahren müssen grundsätzlich die Eltern über die Gesundheitsanwendung aufgeklärt werden und einwilligen.
  • Wenn personenbezogene Daten erhoben werden, müssen die Eltern einwilligen, sofern man noch nicht 16 Jahre alt ist laut Datenschutz-Grundverordnung (siehe klicksafe.de).

Weitere Anwendungen

Die unten stehenden Programme gehören nicht zu Anwendungen (DiGA) nach dem Digitale-Versorgungs-Gesetz.


corona-sressfrei: Ein psychologisches Hilfsprogramm der Humboldt-Universität zu Berlin. "Wir möchten Sie darin unterstützen, besser mit psychischen Belastungen umzugehen, um Ihr Wohlbefinden zu stärken. Unser Angebot ist kostenfrei für Sie. Mit der digitalen Beraterin Aury lernen Sie, wie Sie besser mit Schlafproblemen, depressiver Stimmung, Angst, Sorgen und Konflikten umgehen können. Wir empfehlen, ein Modul pro Tag zu absolvieren, um von Aury vorgeschlagene Übungen besser in Ihren Alltag integrieren zu können". 

Das Angebot richtet sich an diese Personengruppen: Erwachsene, 11- bis 17jährige Kinder und Jugendliche, Eltern von Kindern im Alter von 5 bis 10 und an Eltern von Kindern im Alter von 11 bis 17 Jahren. Vor Beginn des Hilfsprogramms ist ein Fragebogen auszufüllen, für den man sich Zeit nehmen sollte. Es gibt unabhängig von diesem kostenlosen Angebot, die Möglichkeit, die Forschung der unterstützen: Hierbei geht es um Cortisol, ein Biomarker für deine Stressbelastung. Durch eine Haarprobe kann dies analysiert werden. www.corona-stressfrei.de


moodgym: Kostenloses internetbasiertes Selbsthilfeprogramm zur Vorbeugung und Verringerung von depressiven Symptomen (Infobroschüre). Empfohlen von der AOK. Die Grundlage des Programms sind Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) - das ist der Therapieansatz, den ich anbiete. Das Programm behandelt in 5 Modulen z.B. den Zusammenhang von Gedanken und Gefühlen, Beziehungsprobleme und Stressbewältigung und vermittelt Entspannungstechniken. Anhand einer Vielzahl von Übungen und Aufgaben lernt der Nutzer, seine dysfunktionalen und wenig hilfreichen Gedankenmuster zu erkennen und zu ersetzen. Alle Übungen können im Arbeitsbuch-Bereich des Programms gespeichert und teilweise auch ausgedruckt werden. Anhand sich wiederholender Selbst-Tests hat der Nutzer die Möglichkeit, die Entwicklung seiner depressiven Symptome zu verfolgen und damit seinen Fortschritt und den Erfolg des Programms zu kontrollieren. www.moodgym.de


iFightDepression: Herausgegeben von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe | Begleitetes, Internet-basiertes Selbstmanagement-Programm für Patient*innen mit leichteren Depressionsformen | Alter: Ab 15 Jahren | Das Programm läuft in deinem Browser (Computer oder Smartphone) | Das Programm ist als Ergänzung zu einer bestehenden Therapie gedacht | Einmal pro Woche (oder häufiger) füllst du einen Stimmungsfragebogen online aus | Das Programm besteht aus 6 Kern-Workshops, basierend auf der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT):

  1. Denken, Fühlen und Handeln (Arbeitsblatt Aktivitätenprotokoll)
  2. Schlaf und Depression (Arbeitsblatt Schlaftagebuch)
  3. Schöne Dinge planen und unternehmen (Arbeitsblatt Vorausplanen)
  4. Dinge erledigen (Arbeitsblatt Dinge erledigen)
  5. Negative Gedanken erkennen (Arbeitsblatt Ereignisse, Gedanken, Reaktionen)
  6. Negative Gedanken verändern (Arbeitsblatt Gedanken in Frage stellen)

Außerdem gibt es drei Zusatz-Workshops:

  • Rundum besser fühlen: Ein gesunder Lebensstil
  • Beziehungen
  • Soziale Angst

Empfehlenswert ist es, einen Workshop pro Woche zu bearbeiten. Du solltest dir dafür genügend Zeit nehmen. Du musst einen Workshop aber nicht am Stück bearbeiten, du kannst auch Pausen einlegen. Die Workshops bestehen aus diesen Teilen:

  • Die Informationstexte. Wenn du magst, kannst du dir die Texte vorlesen lassen (klicke auf Workshop anhören).
  • Das Arbeitsblatt, auf dem eine Übung beschrieben ist. Das erste Arbeitsblatt ist zum Beispiel das Aktivitätenprotokoll. Du kannst die Arbeitsblätter ausdrucken oder online ausfüllen. Wenn du sie online ausfüllst, kannst du sie mit deinem Psychotherapeuten teilen (klicke dazu auf Mein Profil > Daten teilen). Für den Erfolg des Programms ist der entscheidende Faktor, ob du die beschriebenen Übungen machst. Beim Aktivitätenprotokoll beispielsweise ist es deine Aufgabe, dir täglich Notizen über deine Aktivitäten und die dazugehörige Stimmung zu machen.

Es ist hilfreich, die Fähigkeiten des Programms über einen längeren Zeitraum zu üben. Besonders hilfreich ist es, die Übungen „Aktivitäten beobachten“, „Schlaftagebuch“ und „Vorausplanen“ längerfristig durchzuführen.

 

 www.deutsche-depressionshilfe.de


Selfapy: Online-Programm bei psychischen Belastungen. Abgesehen von der oben genannten DiGA übernehmen manche Krankenkassen die Kosten für Kurse vollständig oder erstatten einen Teilbetrag, z.B. bei den Programmen zu den Themen Stress und Achtsamkeit. www.selfapy.de


Andere Apps

Es werden Tausende von Apps für die körperliche und psychische Gesundheit im App Store und bei Google Play angeboten. Davon wirken manche sinnvoll, andere nicht. Nachfolgend sind einige Apps und Anwendungen, die aus meiner Sicht zu der ersten Gruppe gehören.


KVT-Chatbot

Woebot: Für Englisch-Sprechende gibt es den Woebot (Kummer-Bot). Er wurde entwickelt von Psychologen der Stanford University. Mit ihm kann man chatten. Er kennt sich aus mit CBT, also mit Kognitiver Verhaltenstherapie, meinem Therapieverfahren.  www.woebot.io Die App gibt es kostenlos bei Google Play und im App Store.


PTSD Coach

PTSD Coach: Englischsprachige App über die Posttraumatische Belastungsstörung. www.ptsd.va.gov


Essstörungen

Jourvie: Bei Essstörungen. www.jourvie.com


Krisen

Krisenkompass: Eine App zur Suizidprävention, bereitgestellt von der Telefonseelsorge. Kostenlos für iOS im AppStore und für Android im Playstore. www.telefonseelsorge.de

EnkeApp: Eine App der Robert-Enke-Stiftung| Wissensvermittlung über Depressionen | Beratungshotline | SOS-Ruf an Notfallzentrale (kostenpflichtig) | Mood-Tracker | www.app.robert-enke-stiftung.de | Google Play | App Store


Sozialverhaltensstörung

AUTHARK: Therapiebegleitend kann diese App genutzt werden für Kinder im Altersbereich von 6 bis 12 Jahren mit aggressivem Problemverhalten. www.authark-app.de


ADHS

ADHS-Kids: Hilfe für Eltern von Kindern mit ADHS. Die App basiert auf dem verhaltenstherapeutischen Ratgeber "Wackelpeter &Trotzkopf". Für Android bei Google Play und iOS im App Storewww.beltz.de


Skills

Skills2Go für Borderliner: Basiert auf dem Skillstraining der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) |Für iOS im App Store | www.woop.la/skills2go


Migräne

Migräne App: Von der Schmerzklinik Kiel entwickelt | Inhalt unter anderem: Kopfschmerzkalender, Simulation einer Migräne-Aura, Progressive Muskelentspannung, Kopfschmerzschnelltest. www.tk.de  Bei Google Play und für iOS im App Store.


Erinnerung an die Medikation

Viele Patient*innen nehmen Medikamente nicht so ein, wie sie verordnet wurden. Man spricht dabei von einem Problem der Adhärenz (wiki/Adhärenz). Die Stiftung Warentest hat in der Ausgabe 2/2021 Apps zur Medikamenteneinnahme getestet. Die Apps sollen helfen, verordnete Medikamente regelmäßig einzunehmen. Empfehlenswert: Mediteo, Vimedi, CallmyApo (verfügbar für Android und iOS).