Verhaltensanalyse

Entscheidend für die Therapieplanung ist die Erarbeitung eines individuellen Störungsmodells, das die Entstehung und Aufrechterhaltung einer psychischen Störung erklärt. Es geht um die Frage: Was sind die Bedingungen, die das Problemverhalten erklären? Deswegen spricht man auch von Bedingungsanalyse. 

Analyse von Verhalten in Situationen

© Dmitry – stock.adobe.com
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Ein Problemverhalten in aktuellen und konkreten Situationen wird analysiert. Da einzelne Situationen betrachtet werden, spricht man auch von Mikro-Analyse (mikro = klein).

 

Zum einen werden vorausgehenden Bedingungen erarbeitet (in welcher Situation tritt das Verhalten auf?).  Zum anderen werden die nachfolgenden Bedingungen erarbeitet (was waren die Konsequenzen, die sich ergeben haben?). Für die Analyse von Verhalten in Situationen hat sich ein bestimmtes Schema bewährt: Das SORKC-Schema (ausgesprochen wird es wie "Sorg-Schema").

Beispiel

Nehmen wird an, der 13-jährige Jonas erscheint mit seiner Mutter zur Therapie. Die Mutter berichtet, dass sich ihr Sohn schlecht konzentrieren könne in der Schule und bei den Hausaufgaben, was immer wieder zu massiven Streitigkeiten führe. Zur Vereinfachung ist hier ein SORC-Schema (ohne das K) wiedergegeben:

 

S

S steht für eine Situation oder einen Reiz (= Stimulus).

Jonas ist nach der Schule zu Hause. Er liegt auf seinem Bett mit seinem Handy in der Hand und schaut sich bei Instagram Fotos an. Er hat dabei den vagen Gedanken, dass er eigentlich Hausaufgaben machen müsste. Seine Mutter läuft an seinem Zimmer vorbei und ruft: „Fang jetzt endlich mal mit deinen Aufgaben an!“



O

O steht im Sinne von Organismus für alle Eigenschaften, die eine Person ausmachen und über längere Zeit vorhanden sind. Dazu zählen z.B. Überzeugungen oder Vorerfahrungen einer Person (welche entscheidend beeinflussen, wie eine Person die Situation S interpretiert)

 

 

Aufmerksamkeitsprobleme

Motorische Unruhe
Die Erfahrung, dass Schulsachen immer frustrierend sind.
Die Überzeugung, immer Misserfolge zu bekommen.
Die Überzeugung, dass seine Mutter ihn nicht mag.



R

R steht für die Reaktion - also für das Verhalten des Patienten. Dazu gehören die Gedanken, die Gefühle, die Körperreaktion und das Handeln.

Gedanken: „Die soll mich in Ruhe lassen!"; "Ich hab kein Bock auf die scheiß Hausaufgaben!" "Ich schaff die Aufgaben sowieso nicht!".

 

Gefühl: Wut

 

Körper: Anspannung.

 

 

Handlung: Jonas sagt: „Verzieh dich!". Er steht auf, knallt die Tür zu und geht zu seiner Playstation um Fortnite zu spielen.



C

C steht für engl. Consequence, also die Konsequenzen welche auf das Verhalten folgen. Es werden nur die unmittelbar auftretenden Konsequenzen betrachtet und es wird bewertet, ob es sich um angenehme oder unangenehme Konsequenzen handelt.

Angenehme Konsequenzen für Jonas:

  • Es kommt zu einer Reduktion seiner Wut und seiner Anspannung.
  • Jonas freut sich auf das Spielen mit der Playstation.

Angenehme Konsequenzen werden "Verstärker" genannt im Sinne der operanten Konditionierung. Der Weggang von unangenehmen Gefühlen heißt negative Verstärkung. Das Hinzukommen von angenehmen Gefühlen heißt positive Verstärkung.


Analyse des Kontexts

Eine weitergehende Analyse ist die Betrachtung, was eine Person im Laufe ihres Lebens über die Welt gelernt hat (Lerngeschichte). Es wird erarbeitet, welche Entwicklungserfahrungen eine Person gemacht und welche Grundüberzeugungen sie ausgebildet hat. Wegen der Betrachtung größerer Zusammenhänge spricht man hier von Makro-Analyse (makros = groß).


Ergänzend kann erarbeitet werden, welche Bedürfnisse ein Mensch hat und welche Strategien er einsetzt zur Erreichung dieser Bedürfnisse. Meistens handelt es sich hierbei nicht um bewusste Gedanken, sondern um unbewusste Prozesse. Diese Form der Analyse wird Plananalyse genannt.