Trauer


Mythen über das Thema Trauer

Es gibt einige Mythen über das Trauern. Insbesondere Ideen über ein "richtiges Trauern" können irreführend sein und Betroffene sowie Angehörige zusätzlich belasten. Zu den Mythen gehören:

  • Menschen würden nach einem Verlust immer eine starke emotionale Belastung erleben.
  • Wenn ein Betroffener keine intensiven Gefühle nach einem Verlust erlebt, handele es sich um eine Form der "Abwehr" und damit um etwas Pathologisches.
  • Eine "Trauerarbeit" sei notwendig, bei der man sich mit dem Verlust konfrontiert und "durcharbeitet".

Sigmund Freud postulierte 1917 in seinem Werk Trauer und Melancholie, dass das Auflösen der emotionalen Bindung zur Trauerbewältigung gehöre. Weitere psychoanalytisch begründete Phasenmodelle über den Trauerprozess wurden veröffentlicht. Für diese Modelle gibt es keine empirisch gesicherten Erkenntnisse.


Aspekte, die man über Trauer wissen sollte

Einige Aspekte, die man über Trauer wissen sollte:

  • Trauer ist nicht einfach nur ein Gefühl. Trauer ist nicht dasselbe wie Traurigkeit. 
  • Es gibt keine "Standard"-Trauerreaktion: Sowohl Wut, Gefühllosigkeit, Schmerz, Unruhe, Schuldgefühle, Bitterkeit, Erleichterung und vieles mehr können Teil der individuellen Trauerreaktion sein.
  • Trauer kann sich auch auf der Verhaltensebene zeigen: Trauernde können beispielsweise das Bedürfnis verspüren, sich von anderen Menschen zurückzuziehen.
  • Es gibt kein "Standard"-Schema, nach dem Trauer verläuft. Trauer verläuft nicht konstant oder geradlinig. Menschen in Trauer können Momente starken Schmerzes erleben, gefolgt von Momenten der Fröhlichkeit usw.
  • Phasenmodelle über die Trauer (z.B. von Kübler-Ross, Bowlby, Parkes) sind keine Abbildung der Realität. Im besten Fall sind sie hilfreich als Heuristik.
  • Es ist kontraproduktiv, von sich oder anderen Menschen zu erwarten, dass Trauer irgendwann "aufgelöst" ist. Verstorbene Menschen kommen nicht mehr zurück.
  • Die meisten Menschen müssen ihre Trauer nicht aktiv "durcharbeiten". Andererseits ist das einseitige und aktive Unterdrücken von Gefühlen / Gedanken / Erinnerungen ebenfalls nicht hilfreich: Das Zulassen von Trauer ist ratsam.

Familienangehörige und Freunde von Menschen in Trauer

Trauer wirkt sich auf die sozialen Beziehungen von Menschen aus. 

 

Familienangehörige und Freunde können Trauernde in ihrem sehr individuellen Verhalten und Erleben nicht immer verstehen. Trauernde wiederum können dieses Unverständnis spüren. Gleichzeitig ist es für nahestehende Personen oft schwer erträglich, das Leiden und den Schmerz von Menschen in Trauer mitzuerleben. Sie können das Bedürfnis erleben, die trauernde Person zu trösten. Dabei sollten Familienangehörige und Freunde wissen: Der Verlust von Menschen ist nicht zu verändern ist; der Zustand, in dem Trauernde sind, ist ebenfalls nicht schnell zu verändern.

 

Trauernde haben die Neigung, sich von anderen Menschen zurückzuziehen. Dies gehört zur normalen Trauerreaktion. Falls der Rückzug aber so umfassend und dauerhaft ist, dass Freundschaften und soziale Beziehungen abbrechen, ist dies für die psychische Gesundheit nicht hilfreich.

 


Ist eine Psychotherapie notwendig bei Trauer?

Trauer ist im Allgemeinen keine psychische Störung / psychische Erkrankung, sondern eine normale Reaktion. Das gilt auch, wenn Trauer für Betroffene sehr belastend ist. Die Leiden und die Beeinträchtigungen von trauernden Menschen ähneln in vieler Weise den Symptomen einer Depression. Trotzdem ist eine Trauerreaktion nicht dasselbe wie eine Depression.

 

Es gibt Hinweise, dass Psychotherapie bei normaler Trauer schaden kann. 


Wann ist Trauer normal und wann nicht?

Eine psychische Störung / Erkrankung liegt nur vor, wenn bestimmte psychische / körperliche Symptome auftreten und Menschen dadurch beeinträchtigt sind in ihrer Lebensführung. Trauer entwickelt sich nur in Ausnahmefällen zu einer anhaltenden Trauerstörung.

 

<<Untersuchungen konnten belegen, dass die anhaltende komplexe Trauerreaktion aus einem eigenen spezifischen Symptomcluster besteht. Sie ist daher von einer Reihe anderer psychischer Erkrankungen abzugrenzen, auch wenn sich Symptome häufig überschneiden oder die Erkrankungen assoziiert miteinander auftreten können>> berichten Steinig & Kersting (2015)

 

In der Literatur wurde bislang häufig der Begriff "komplizierte Trauer" benutzt, wenn es um Phänomene ging, welche eine normale Trauerreaktion übersteigen. Ein weiterer Begriff ist die „anhaltende komplexe Trauerreaktion" (persistent complex bereavement disorder), die sich im Klassifikationssystem DSM 5 findet - jedoch im Bereich von Gesundheitsfaktoren, welche einer weiteren Überprüfung durch die Forschung bedürfen. Ein diagnostisches Instrument hierzu ist das Inventory of Complicated Grief (ICG).

 

Im Klassifikationssystem ICD-10 gibt es keine psychische Störung in Bezug auf Trauer. Es kann aber sein, dass bei Betroffenen die Kriterien einer Anpassungsstörung oder von anderen psychischen Störungen vorliegen.


Quellen & Literatur