Epidemiologie

Ein wichtiger Bereich der Epidemiologie handelt von der Häufigkeit von Erkrankungen in der Bevölkerung. Bedeutend ist auch die Identifikation von Risikofaktoren, die einen signifikanten Einfluss auf das Auftreten psychischer 

Auffälligkeiten haben.

 

Damit nimmt die Epidemiologie eine anderer Perspektive ein, als der Blick auf Patient*innen in einem konkreten Einzelfall. Epidemiologische Studien liefern entscheidende Daten für das Gesundheitswesen. Um ihre Aussagen zu verstehen, muss man einige Begriffe verstehen.

 

Grundgesamtheit (Population): Die Grundgesamtheit ist die Menge aller Objekte, über die eine Aussage getroffen werden soll. Sie ist die Grundlage für eine statistischen Untersuchung und muss definiert werden. Zum Beispiel: Alle Einwohner Deutschlands; alle wahlberechtigten Bürger Deutschlands; alle Versicherten einer bestimmten Krankenkasse.

 

Repräsentative Stichprobe: Man erhält eine repräsentative Stichprobe, indem man Teile der Grundgesamtheit so erfasst, dass die Stichprobe aus der Grundgesamtheit repräsentativ ist. Dazu kann man beispielsweise eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe aus dem Gemeinderegister ziehen.

 

Prävalenz: Die Prävalenz gibt den Anteil der erkrankten Menschen in einer Grundgesamtheit zu einem bestimmten Zeitpunkt oder Zeitraum an. Angaben können sich auf einen Zeitpunkt beziehen (z.B. heute) oder auf einen Zeitraum wie 12-Monate. Die Lebenszeitprävalanz bezeichnet den Anteil der Personen, die bis zum Erhebungszeitpunkt mindestens einmal in ihrem Leben eine bestimmte Erkrankung hatten.

 

Inzidenz: Unter Inzidenz versteht man die Anzahl der in einer definierten Zeitstrecke neu auftretenden Fälle einer 

bestimmten Erkrankung in der Bevölkerung. Beispiel: Die 7-Tage-Inzidenz von COVID-19.

 

Inzidenzrate: Die Inzidenzrate wurde normiert als Anzahl der Neuerkrankungen pro 100.000 Personen in der Bevölkerung pro Jahr.


Häufigkeit psychischer Erkrankungen in Deutschland

27,8% der erwachsenen in Deutschland haben innerhalb eines Jahres (12-Monats-Prävalenz) eine psychische Erkrankung berichten Jacobi et al. 2015 (Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung).

  

42,6% der Menschen in Deutschland hat in ihrem Leben mindestens einmal eine psychische Erkrankung (Lebenszeitprävalenz) berichten Jacobi et al. 2004 (Prevalence, co-morbidity and correlates of mental disorders in the general population: results from the German Health Interview and Examination Survey).


Wer ist mehr, wer weniger betroffen?

Die Häufigkeit psychischer Erkrankungen bei Erwachsenen in Deutschland unterscheidet sich nach Geschlecht, Alter und sozialem Status:

  • Frauen sind häufiger betroffen (33,5%) als Männer (22,1%).
  • Junge Erwachsene (18 bis 34 Jahre) haben deutlich häufiger eine psychische Erkrankung als alte Menschen (65 bis 79 Jahre).
  • Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status, das heißt geringem Bildungsniveau (gemessen an Faktoren wie fehlendem Schulabschluss), und in Bezug auf den Erwerbsstatus (Arbeitslosigkeit) haben häufiger eine psychische Erkrankung als Menschen mit mittlerem und hohem Status. Etgeton 2017 bestätigt diesen Zusammenhang und berichtet: <<Arbeitslose haben ein zweieinhalbfach erhöhtes Erkrankungsrisiko im Vergleich zu Erwerbstätigen>>.

Regionale Unterschiede zeigen sich bei der Inanspruchnahme von Hilfen: Aus dem BARMER-Arztreport 2021 geht hervor, dass beispielsweise in Berlin 5,19 %, in Mecklenburg-Vorpommern aber nur 3,33 % der Kinder und Jugendlichen psychotherapeutische Termine (Sprechstunde / Akutbehandlung / Probatorik / Richtlinientherapie) wahrgenommen haben.


Gibt es eine Zunahme an psychischen Erkrankungen?

Einerseits weisen epidemiologische Untersuchungen darauf hin, dass insgesamt die Häufigkeit psychischer Erkrankungen nicht bedeutsam zugenommen hat. Andererseits gibt es einen deutlichen Anstieg bei der Inanspruchnahme und Diagnosestellung psychischer Erkrankungen. Darauf weisen Veröffentlichungen von Krankenversicherungen (z.B. der BARMER Arztreport) hin. Zum Beispiel: <<Innerhalb von elf Jahren hat sich die Zahl der jungen Patientinnen und Patienten mehr als verdoppelt>> (BARMER Arztreport 2021). Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung weisen ebenfalls auf eine Zunahme an diagnostizierten psychischen Erkrankungen hin.

 

Psychische Erkrankungen werden heute gesellschaftlich anders thematisiert und beurteilt als früher. Diskutiert wird, dass beispielweise ein offenerer Umgang mit psychischen Erkrankungen zu der erhöhten Inanspruchnahme von psychotherapeutischen / psychiatrischen Therapien geführt hat. 


Links

Der Report Psychotherapie der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) fasst Zahlen über psychische Erkrankungen in Deutschland zusammen.